MOTORRADHANDWERK

 

Keep on running...

Inhalt

 

1) Auf der Werkbank: Der Motor einer britischen Matchless G3L von 1943

 

 

2) Wackelkandidat: Der Wechsel der Schwingenlager und Simmerringe an

 

einer Triumph Scrambler 900 von 2015. 

 

 

 

 

 

Januar 2021 / Frühjahr 2023

 

 

Auf der Werkbank:

 

Der Motor einer britischen Matchless G3L von 1943...

... beziehungsweise die obere Hälfte davon. Dieser Motor scheint vor nicht allzu langer Zeit überholt worden zu sein aber ein paar Fehler wurden doch mit eingebaut.

Der Motor klemmte nach geringer Betriebszeit immer wieder sehr schnell, er war aber auch sehr schnell wieder frei. Die Einlassstößelstange war gerissen und das Auslassventil war reif für einen schiefen Wurf in die Schrottkiste.

 

Die Ursache für den Motorklemmer:

Der neuwertige Kolben klemmte. Die Ursache hierfür wiederum war eine zu enge Pleuelbüchse, wodurch das obere Pleuellager zu heiß wurde und sich diese Hitze auch auf den Kolben übertrug. Überdies war die Schmierbohrung oben im Pleuelauge zu zirka 1/3 nicht freigegeben, da die Buchse versetzt eingepresst wurde; hinzu kam, dass sich in der Schmierringnut des Zylinderfußes Dichtmasse befand!

 

 

Ich arbeitete das obere Pleuelauge nach, so dass sich ein Spiel von 3/100 mm ergab. Die Schmierbohrung des Pleuels bohrte ich auf und entgratete sie mithilfe einer kleinen Flexhone. Die drei leichten Fressspuren auf dem Kolben mussten mithilfe einer Dreikantfeile entfernt werden. Das Einbauspiel Kolben zu Zylinder ermittelte ich mithilfe von Bügelmessschraube und Subito (9/100 bis 1/10 mm), das Kolbenringstoßmaß aller drei Ringe hatte ich gemessen, indem ich jeden einzeln in den Zylinder schob und den Schlitz mit einer Fühlerlehre maß. Anschließend wurde dem Zylinder mithilfe einer Flexhone und Honöl ein frischer Kreuzschliff verpasst.

10. Januar 2021

 

Nach der Vermessung des Zylinders zeigte sich, dass er bezüglich Kolbenspiel maßlich perfekt war. Und da er auch nicht unrund oder konisch war, genügte ein Erneuern des Kreuzschliffes mithilfe von Flexhone und Honöl. Aufbohren und Honen also nicht nötig:

 

 

 

17. Januar 2021

 

Da ich die Pleuelbüchsenschmierbohrung bohrte, musste nun der Grat innen entfernt werden. Dies geschah abermals mittels einer kleinen Flexhone feiner Körnung und Honöl. Mit einem passenden Dorn und feinem geölten Schleifpapier fuhr ich zuletzt mehrmals durch die Pleuelbüchse hindurch da die Oberfläche durch die Flexhone doch angerauht war. Das Einbauspiel Kolbenbolzen zu Buchse betrug 3/100 mm, was perfekt war. Aber wichtig ist, dass der Kolbenbolzen „saugend“ hindurch gleitet!

 

 

 

5. April 2021

 

Mithilfe eines Bleistiftes, einer Nagelschere und eines 10er Locheisens schnitt ich eine neue Fußdichtung zu. Diese rieb ich mit Vaseline ein und montierte sie. Hierbei darauf achten, dass die Schmierbohrung für den Zylinder unten im Motorblock nicht durch die Dichtung verdeckt wird! Diese gegebenenfalls in diesem Bereich etwas weiter aufschneiden.

 

 

Vor der Montage des Kolbens ölte ich die Pleuelbüchse und die Kolbenbolzenbohrungen im Kolben kräftig (wichtig!). Vor der Montage des Kolbens hatte ich diesen am Kolbenboden mithilfe einer Heißluftpistole erwärmt, nur so kann der Kolbenbolzen leicht hinein geschoben werden. Achtung: Den Kolbenbolzen nicht mit einem Hammer einklopfen, das Pleuel könnte beschädigt bzw. krumm werden!!!!

 

Neue Kolbenbolzen-Sicherungsringe verwendete ich. Diese nicht überdehnen, die offene Stelle muss nach unten oder oben zeigen, nicht seitlich!

 

13. Mai 2021

 

Bevor ich den geölten Zylinder über den Kolben schob, richtete ich die Kolbenringstöße mit einem Versatz von circa 120° zueinander aus.

Beim Aufsetzen des Zylinder aufpassen, dass kein Kolbenring bricht. Dank großzügig bemessener Fase war das aber kein Problem.

 

Den Zylinderfuß zog ich nicht ganz an und drehte den Motor mehrmals durch. Dann zog ich die Fußmuttern über Kreuz und gleichmäßig an. 

 

 

31. Mai 2022

 

 

Es folgten die Stößelrohre mit neuen Gummiringen oben und unten und die Stößelstangen. Die Kupferkopfdichtung glühte ich aus und montierte später den Zylinderkopf, das Einstellen des Ventilspieles und das Einfüllen des Motoröles (50er Einbereichsöl mineralisch) folgten. Dann schob ich sie ohne Zündkerze im Zylinderkopf und eingelegtem 3. Gang die Straße auf und ab, um Motoröl „vorzupumpen“, gar bis es in der Steigleitung oben am Zylinderkopf ankam.

 

Fortsetzung wird folgen

 

 

 

13. April 2023

 

 

Wackelkandidat: Der Wechsel der Schwingenlager und Simmerringe an einer

 

Triumph Scrambler 900, Baujahr 2015

 

 

Da bekommt man ja keinen graden Strich hin!“

Obwohl sie erst knapp 74.000 Kilometer auf der Tachouhr hatte, waren die Schwingenlager bereits stark ausgeschlagen. Das war eine wacklige, lastwechselbetonte und unruhige Fahrerei. Aufgefallen ist mir die wacklige Schwinge bereits im Herbst 2022. Bekanntermaßen gewöhnt man sich an alles und kann Kummer gewohnt sein. Ich führe das auf die vergangenen vier Winter, die zum Teil streusalzintensiv waren und die ich mit ihr vollständig durchgefahren bin, zurück. Früh jeden Werktagmorgen zur beruflichen Arbeitsstätte und zurück und dann bin ich hin und wieder am Wochenende noch etwas mit ihr on tour gewesen. Manchmal hatten wir Glatteis oder schneebedeckte Fahrbahnen zu bewältigen und eben auch viele Streusalzduschen erleiden müssen.

 

Das aggressive Streusalz und die Dampfstrahlattacken nach jedem Winter – da wird vermutlich Wasser und Salz an den Schwingenlagersimmerringen eingedrungen sein. Zu Beginn eines jeden Winters und nach jedem Winter schütze ich die Scrambi mit einer Mischung aus 1/3 Ballistol und 2/3 Schafswollfett (Fluid Film), die ich großzügig mithilfe einer Spritzpistole auf jeden noch so entlegenen tausendstel Quadratmillimeter aufbringe. Anfangs strahlt sie wie neu aber bald stellt sich der „Schornsteinfegerlook“ ein. Sommers wie winters. Egal, was man dann an diesem Krad berührt - im Nu schwärzt es die Finger.

 

 

12. April 2023: Die Demontage

 

 

Bevor es an den Wechsel der Schwingenlager und Simmerringe gehen konnte, mussten die Antriebskette, der hintere Bremssattel, das Hinterrad und die Bremsverankerung ausgebaut werden. Achtung: Den Bremssattel nicht an der Bremsleitung hängen lassen sondern diesen hochbinden!! Ich band ihn auf der linken Soziusfußraste mithilfe eines Zurrgurtes fest. Und zwischen die Bremsbacken schob ich ein dickes Blech, falls man doch versehentlich den Fußbremshebel betätigen sollte. Nicht, dass doch die Bremskolben herausflutschten...

 

 

Dann musste die Sitzbank runter, das rechte Federbein ausgebaut werden und das linke Federbein musste oben nur gelockert und unten an der Schwinge abgeschraubt werden. Hierfür wiederum mussten im Vorfeld auch die M8-Gepäckträgerschrauben unter der Sitzbank ausgeschraubt werden. Anschließend mussten die Inbusschrauben der Klemmung links und rechts des Schwingenbolzens an der Oberseite der Fußrastehalteplatten gelöst werden! Dann konnte die Schwingenbolzenmutter SW 24 links abgeschraubt und der Schwingenbolzen von der linken Seite her nach rechts mithilfe von langem Dorn und Hammer ausgetrieben werden. Achtung: das Gewinde des Bolzens nicht beschädigen!

Zuletzt musste die linke und rechte Fahrerfußraste inklusive Aufnahme abmontiert werden. Denn diese besitzen Zapfen, die mithilfe oben genannter Klemmung fixiert werden und die wiederum von links und rechts auf den inneren Schwingenlagerbuchsen aufliegen. Dann konnte die komplette Schwinge raus.

 

 

Schnell konnte ich das Malheur erkennen: Das Nadellager auf der rechten Seite war stark rostig und staubtrocken!! Während die linke Seite mit den zwei gekapselten Kugellagern top und sauber aussah.

 

Ich hebelte alle vier Simmerringe raus. Es sind drei Stück 32 x 25 x 4 mm, jener links außen aber hat die Maße 35 x 25 x 4 mm.

 

 

Dann machte ich mich an die Demontage des alten Nadellagers auf der rechten Seite. Zuvor ermittelte ich die Tiefe des Nadellagers von außen her mithilfe eines Messschiebers: 12 mm. Das ist wichtig, da es nicht auf einem festen Bund oder Seegering aufliegt. 

 

 

Jetzt konnte die Erwärmung der Schwinge um das Nadellager herum mithilfe einer Heißluftpistole beginnen um dann das Lager ziehen zu können. Hierfür verwendete ich eine M12-Schraube, Mutter und stabile Unterlagscheiben sowie eine 32er und eine 22er Nuss 1/2“. Das klappte ganz formidabel! Man muss nur darauf achten, dass die 22er Nuss zentrisch auf dem Lager sitzt.

 

 

Dann kam die Kugellagerseite = die linke Seite an die Reihe.

Hier musste ich kein Tiefenmaß der Lager ermitteln da sie unten auf einem festen Bund aufsitzen und von oben her mittels eines Seegeringes gesichert werden.

 

Erst musste dieser Seegering raus, dann erwärmte ich an dieser Stelle die Schwinge mit der Heißluftpistole. 

 

 

Da beide Kugellager aufeinander sitzen, zog ich sie per oben genannter Methode miteinander zur Seegeringseite hinaus.

 

 

 

 

13. April 2023: Der Zusammenbau

 

Ich begann mit der Kugellagerseite. Ich säuberte den inneren Bereich und erwärmte diese Stelle wieder mit der Heißluftpistole. Die Lageraußenringe sprühte ich mit Fettspray ein.

 

(→ Dies mache ich aber nicht an Lagern, die schnell rotieren und die Gefahr laufen können, sich am Außenring mitzudrehen!) 

 

 

Das erste Kugellager klopfte ich sachte mithilfe einer 22er Nuss ½“ ein bis es unten auflag. Das kann man am helleren, metallischen Geräusch erkennen. Achtung: Das Lager nicht verkanten und nicht auf den Innenring klopfen!! Dieselbe Vorgehensweise erfolgte mit dem zweiten Kugellager bis es auf dem unteren auflag. Dann folgte die Montage des Seegeringes. Achtung: Bitte auf einwandfreien Sitz in der Nut achten!

 

Anschließend montierte ich den inneren Simmerring 32 x 25 x 4 und den äußeren Simmerring 35 x 25 x 4. Auch diese fettete ich außen ein. Später besprühte ich die Dichtlippen und den Raum zwischen Simmerringen und Kugellagern beidseits mit Fettspray. 

 

 

Die beiden Buchsen machte ich sauber, fettete sie und steckte jeweils eine links und rechts durch die Simmerringe bis zum Anschlag und drehte sie prüfend etwas hin und her. 

 

 

Dann machte ich mich an die Nadellagerseite.

 

Ich machte den Innenraum des Lagerbereichs in der Schwinge sauber und erwärmte auch diesen. Das Nadellager fettete ich außen und klopfte es mit einer 22er Nuss ein. Achtung: Das Lager nicht verkanten und nicht verdengeln, es ist dünnwandig!

 

 

Ich klopfte es bis über die Hälfte hinein, dann zog ich es vollends mithilfe der M12-Schraube und der Nussen ein. Hierbei galt es, das Tiefenmaß 12 mm von außen her zu beachten! Aus diesem Grund musste ich das Einzugwerkzeug immer wieder demontieren und die Tiefe des Lager nachprüfen bis es passte.

 

 

Auch hier setzte ich beide Simmerringe ein, fettete diese sowie das Nadellager innen. Dann folgte das Entrosten, Säubern und Fetten der inneren Nadellagerhülse.

Beim nächsten Mal aber werde ich besser auch sie durch ein Neuteil ersetzen.

Ich schob sie in das Lager hinein bis sie beidseits zirka um das jeweils gleiche Maß aus den Simmerringen schaute.

 

 

Später erfolgte das Entrosten und Säubern des Schwingenbolzens, danach schob ich ihn in die Schwinge um zu prüfen, ob alles passt.

 

 

Bevor ich die Schwinge einbaute, sprühte ich noch beidseits Fettspray in die Bohrung des hinteren Motorblocks, durch die der Schwingenbolzen geschoben wird. Zuerst baute ich die rechte Fußrastenplatte inklusive der äußeren Führungsbuchse an, ließ sie aber noch locker. Dann schob ich den gut gefetteten Schwingenbolzen von rechts nach links durch. Es folgte der Anbau der linken Fußrastenplatte inklusive der linken äußeren Führungsbuchse. Diese sowie die rechte Fußrastenplatte zog ich dann am Rahmen vollends an, dann zog ich die Schwingenbolzenmutter SW 24 mit 110 Nm an. Während des Anziehens aber schwenkte ich die Schwinge immer wieder auf und ab um zu sehen, dass da nichts klemmte. Zuletzt konnte ich die Inbusklemmschrauben beidseits des Schwingenbolzens mit 40 Nm anziehen.

Danach folgten die Federbeine, die Gepäckträgerschrauben, das Hinterrad (die Simmerringe und Radlager sowie die Hinterachse hatte ich ebenso gut frisch gefettet) und die Antriebskette. Anschließend entfettete ich die hintere Bremsscheibe und baute den Bremssattel an, die zwei Schrauben zog ich gleichmäßig mit 40 Nm an. Achtung: Das Hinterradbremspedal betätigen, damit sich die Bremskolben und Bremsklötze wieder dicht an die Scheibe anlegen!

Zuletzt erfolgte das Ausrichten des Hinterrades und Spannen der Kette.

Was aber sofort auffiel war, dass die Kette bei gleicher Einstellung des Hinterrades strammer war als zuvor! Und das wohl wegen der neuen Lager und einer wackelfreien Schwinge.

 

Die erste Fahrt: Freude auf ganzer Linie!

 

Das Motorrad fuhr stabiler, sauberer und „zielgerichteter“, die Lastwechsel sind sehr angenehm geworden und auch die Antriebskette lief geräuschloser. 

Copyright 2019 D. Spang