LITERATURBETRIEB


 

Inhalt

 

 

Erstlingswerk: EADG

 

 

Das dritte Bild der Statik

 

 

BSA und Norton sind hip. Oder: Darf ich wissen, was ich muss?

Ein Essay über die (Schul-)Bildung

 

 

Die Fabel von der Katze und der Maus

 

 

Carduelis carduelis – Distelfink

 

 

 

 

 

 

 

 

E A D G / Musikalische Betrachtungen

 

 

Saitenweise

erklimmen Schnecken

gen Himmel empor

um sich

klangerfüllt

zu finden aus dem

f f

 

© Dominik Spang  (17. November 2004)

 

 

Hiermit war der Kontrabass gemeint.

Mein Literatur-Debüt innerhalb einer antiliterarisch gestimmten Umgebung. Vielleicht verhält es sich auch hier wie bei meinen zwei Fällen zum Anbeginn der Liebe:

 

A) Der amorsche Pfeil und Bogen sind zum nahen Bersten gespannt –

     Volltreffer!

 

B) Die zwei windschiefen Geraden im dreidimensionalen Vektorraum, die

     sich niemals berühren werden.

 

Volltreffer?  Ja. Aber auch konsequent fortgesetzt? Lebenslinien lassen sich nicht vektoriell darstellen…

 

 

 

 

Das dritte Bild der Statik

 

                                            

Bei Klangkörpern verbindet ein Stimmstock

den Boden mit der Decke.

Vielleicht das entscheidende Bauteil,

das der Anatomie eines Menschen fehlt.

Dissonanzen zu Wohlklängen.

Die Gestaltung macht die Musik.

Wir alle kennen einander nicht.

 

© D. Spang (Feb. / Aug. 2011)

 

 

 

 

 

 

BSA und Norton sind hip.

Oder: Darf ich wissen, was ich muss?

 

Ein Essay über das real existierende Wissen und die Bildung

 

Neue Fassung vom 24. Juni 2010

 

Ich bewege mich durch die Regalgänge eines NETTO-Supermarktes in Echterdingen, an meiner rechten Krücke baumelt ein Stoffsäckchen um den Einkauf in kleinlogistischer Manier bewerkstelligen zu können. Plötzlich erblicke ich inmitten der Welt des Konsums zwei mir wohl bekannte Schriftzüge feinsten altbritischen Motorradhandwerks. BSA und NORTON, so die klangvollen Namen, welche sich nun auf mich zu bewegen, auf T-Shirts gedruckt, in denen zwei jüngere Herren stecken. Ich bin erfreut. Bei abermaligem Hinsehen kommen mir doch Zweifel, ihr Auftritt erscheint mir für Fahrer hochherrschaftlicher Britladies nicht wirklich angemessen. Ihre Basecaps werfen tiefe Schatten über ihr Gesicht und die Freiheit ihrer Beinbewegungen ist durch halblange Jeans, die der Schwerkraft nur sehr mühsam etwas entgegenzusetzen haben, sehr eingeschränkt. Tief blicken lassen sie leider auch. Jungs, euer Dekolleté ist mal voll für den Arsch, geht das noch einmal üben. Diese Kunst ist einzig und allein der lieblichen Frauenwelt vorbehalten, sie können das besser. Und eleganter, in der Tat. Nun sind sie bei mir angelangt, am Kühlregal mit den Yoghurts, die sogar nach Erdbeere schmecken ohne diese zu beinhalten. Schonung natürlicher Ressourcen. Andere wurden mithilfe Kuheuter gewonnen, deren Kühe nun kein genmanipuliertes Soja mehr zu sich nehmen müssen, um das weiße Gold aus den Zitzen sprudeln zu lassen. Fortschritt der Konsumerei. „Get away with BSA“, spricht es erfreut aus mir heraus. Die beiden jungen Herren beeindruckt das wenig, nicht einmal ihre Schrittgeschwindigkeit erfährt die Kräfte einer Bremsverzögerung, keine Regung ihrer Physiognomie, nur ein gelangweiltes „Ach, sagt man das so?“, unbeirrbar ihren Marsch zu den Backcamemberts mit Preiselbeeren in der Ecke dort hinten fortsetzend.

 

Zur Kassa, bitte! (Es wird nun abgerechnet).

Es hat mir den Anschein, dass diese beiden jungen Herren nicht wussten, was sich da in elegant geschwungenen Lettern auf ihren T-Shirts befindet. Der Bezug zu altbritischen Motorrädern, dieser war ihnen vielleicht noch bekannt, ansonsten nur modisches Accessoire, Zugang für jedermann. Warum nicht? Es gibt gar T-Shirts mit RAF-Logo oder dem Antlitz eines Che Guevara. Auf seiner Flucht fuhr er übrigens auch eine NORTON. Schön, diese alten Zeiten wieder aufleben zu lassen, textil zumindest. Kann ich es ihnen verübeln, nicht zu wissen, was sie da tun? Ach lass´ sie laufen… Ich webe mir einen Gedankenteppich, schwebe mit ihnen auf diesem. Gedankenflüge sind die einzigen, die mir bisher in die Lüfte verholfen haben. Nur in eine alte Wellblech-Junkers (Dessau, wo es auch HAUSBAU gab) würde man mich hinein bekommen. Kein massentouristischer Habitus wohnt ihr inne.

 

Wann muss man wissen, was man wissen muss, was man wissen darf, was man wissen möchte und wann man wissen darf?

Wie sieht aufrichtiges Wissen aus, der Background des aufrichtigen Interesses?

Ist nur der per Selbststudium gebildete Mensch der wahrhaft Gebildete?

Muss immerzu die Rechnung „P = U mal I; Psociety = 1, 2, 3, 4, 5, 6. (Punkt!) mathematisches Maß vieler gesellschaftlicher Vorgänge sein?

Ist mir aus diesem Grund bisher kein schlimmerer Mensch begegnet, als jener in Gestalt des aufstrebenden Schülers?

Und wie darf man Geschichte wissen?

 

Ein Smalltalk aus dem Volk der Lernenden:

„Du hör mal, Du wirst es nicht glauben. Ich habe vorhin eine 1 in der mündlichen Geschichtsprüfung bekommen. Das war so geil, sie haben unter meinen vier eingereichten Themen mein Lieblingsthema ausgesucht, Judenverfolgung, Jud Süß und die Nazis und so. Ich habe ein paar Bilder an die Wand gehängt und sie von oben bis unten vollgeschwallt. Eine 1!

 

Ich habe eine 1 in Verdun.

Ich habe eine 1 in Genozid.

Ich habe eine 1 in Hiroshima.

 

Sollte man Geschichte nicht mit Liebe behandeln?

Und sind Wissensmonster jene, die Wissen gegen andere Menschen einzusetzen wissen, Gebrauch von ihrer Waffe machen?

Und der Mensch, der die weiblichen Rundungen eines Kontrabasses in ein kartesisches Koordinationssystem einbeschreibt und hinterher leidvoll erfahren muss, dass dies keine reine mathematische Funktion darstellt, da so manchem X mehr als ein Y zugesprochen werden kann – ist er wirklich gescheitert?

Ist Mathematik das Druckmittel menschengemachter Bildung und Germanistik die Mathematik der Literatur?

Sind andere Menschen, die von deinem Metier keine Ahnung haben wirklich blöd oder kann es nicht sein, dass sie einfach nur etwas anderes wissen?

Wie wäre es mit einer Isolation der Schulbildung von der Leistungsgesellschaft per Mondraketen?

Der Teufelskreis mit zentripetalistischer Ausrichtung auf den Mittelpunkt: Besteht nicht das Problem hierin, dass Schulbildung im Hinblick auf das spätere Berufsleben geschieht und somit der Blick für das Wesentliche verloren geht und dass wiederum diese Welt des reinen Berufes die Menschen davon abhält, auf ihre geistigen Reserven zurückgreifen zu können?

So viele Arbeitslose und alle haben die Schweinegrippe! Der Aufmacher im Jahre 2009.

Wie weit bringt es kompetenztrainierte Hartz IV-Empfänger zu wissen, dass es Hard- und Softskills gibt?

Der Bub, der erforscht, dass der wehmütige Gesang aus herbstlaubfarbenem Wald von einem Rotkehlchen stammt – ist er nicht dem wahrhaften Wissen einen Schritt näher gekommen oder ist es wirklich nur unnütz?

Ein Kind, das früh zur Musik findet und nicht getrieben wird – ist hier der eigene Antrieb verborgen? Real existierendes Wissen. Synapsen wollen früh zu Wege gebracht und emsig gesponnen sein.

Und warum zerreißt ein Schüler nach Abhandlung der Emilia Galotti das Reclam-Büchlein und wirft es in den Mülleimer? Ist doch klar – die Klausur ist abgehakt.

 

Bis zum großen Feuer ist es nicht mehr weit,

bringen wird uns dies nur geistig Dunkelheit.

 

Und ist es nicht auch Physik, gedanklich ein Bild der Statik zu malen, in welchem man kein Träger einer Bildung sein möchte, die auf einem leistungsgesellschaftlichen Fundament fußt?

Und was treibt Menschen zum Klau geistigen Eigentums? Ist ihnen nicht bewusst, dass sie sich selbst für die Verkümmerung ihres eigenen Geistes verantwortlich machen und somit einen Verrat an sich selbst begehen?

Das höchste Engagement des Menschen besteht darin, einen gesunden Menschenverstand an den Tag zu legen. Wer lehrt uns dies?

 

Jetzt sind sie fortgefahren, in einem starken, knallorangefarbenen Auto moderner amerikanischer Provenienz mit orangefarbenen Plüschwürfeln, die am Innenspiegel baumeln. Sie regen sich über eine Frau auf, die zwei Sekunden zu lange benötigt, um vom Parkplatz zu fahren. Was können andere dafür, dass ihr Auto fahrt?

Back to the issue of motorcycles, das beruhigt die Gemüter.

Ich stehe mit den Krücken an der alten MZ auf dem Parkplatz des Supermarktes. Keine Ahnung, wie ich hierher kam. Vier Füße tragen schneller als zwei dies tun, heißt es. Sechs Wochen mit der S- und U-Bahn waren mir genug. Ich schnalle die Krücken quer auf das Motorrad aber in ihrer Länge verringert. Achtung mit den Automobilrückspiegeln! Wir fahren unseres Weges. Zwei Wochen noch mit den Gehhilfen.

Keep on running…

 

Copyright D. Spang

 

(Buchstaben dürfen in loser Reihenfolge geklaut werden) 

 

 

 

 

Die Fabel von der Katze und der Maus

 

Die Katze holte aus, ihre Tatze verfehlte das Ziel nicht.

Auf dem Parkett quiekte es schauerlich.

Die Maus:

„Liebe Katze – hast dich nicht am Fressnapf wohl gesättigt?

Hab doch Erbarmen mit mir und meinem kümmerlich Leben.“

Die Katze:

„Das tut nichts zur Sache. Es ist ein Spiel. Meist ist es nicht

der Hunger, der uns Hauskatzen hiernach lässt streben.“

Die Maus, sie zappelte verzweifelt in der Katze Gebiss.

Sie wurde zunehmend schwächer. Ihre Kraft – sie war entkräftet.

Doch halt! Dumpfe Schritte waren zu vernehmen. Es kam näher.

Ein Mensch!

Sollte die Rettung da sein?

Die Haustür ging auf, die Maus verspürte einen Stoß, die Katze auch.

Ein Besen war es, der auf das Hinterteil der Katze stieß,

eine fellknäuelne Masse flog in hohem Bogen vor die Haustür.

Doch öffnen wollte es sich nicht, das Gebiss.

„Mach draußen weiter mit deiner Sauerei! Und lass´ mir ja nichts auf dem

Fußabstreifer liegen!“, schrie es aus dem Haus heraus.

Die Katze:

„Liebe Maus – rechne nicht damit, dass es sich immer zu deinem Wohle

zivil couragiert. Dein Stündlein hat geschlagen!“

Von einem lauten Knacken begleitet, ging die Katze davon.

Das zweite Rückrat war gebrochen.

 

© Dominik Spang  Dez. 2011 / Feb. 2013

 

(Buchstaben dürfen in loser Reihenfolge geklaut werden)

 

 

 

 

 

 

Carduelis carduelis - Distelfink

 

Und da dachte ich mir: „Carduelis carduelis! Wie kannst Du nur – um Gottes Willen – diesen Vogel in seiner bunten Pracht und vollkommenen Schönheit gefangen nehmen und mit einem Kanarienvogel kreuzen wollen? Seinen munteren Gesang muss er unbedingt in der Freiheit unserer Mutter Natur zum Besten geben können!“

Zermürbt zog ich von dannen und schickte ihm das Sondereinsatzkommando in den dunklen Keller. Die Sprengung des Türschlosses ließ den Schlüssel mit einer ungeheuren kinetischen Energie in den Käfig schießen. Beide Vögel fielen tot von der Stange.

 

Idee: 3. März 2018 (NORD)

 

© D. Spang (Buchstaben dürfen in loser Reihenfolge geklaut werden)

Änderungen / Überarbeitung möglich

 

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright 2019 D. Spang